Medeas Gold – eine Ausstellung im Alten Museum zu Berlin
Von Ronald Sprafke
26.05.07
Einst wurde der thessalische Königssohn Iason ausgeschickt, das Goldene Vlies aus dem fernen Lande Aia zurückzuholen. Zusammen mit den Argonauten, fünfzig Helden aus ganz Griechenland, segelte er gen Osten. Er fand das geheimnisvolle Land Kolchis, kostbares Gold und eine wunderschöne Frau. Medea, die zauberkundige Tochter des kolchischen Königs, entbrannte in Liebe zu Iason. Sie verhalf ihm zu einem goldenen Widderfell und zur erfolgreichen Flucht. Iason kehrte mit dem Gold und der Frau in seine Heimat zurück.
Jetzt hat wieder kolchisches Gold den Weg nach Europa gefunden. In Zusammenarbeit mit dem Georgischen Nationalmuseum Tbilissi präsentiert die Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin im Alten Museum »Medeas Gold«. Dieses Mal sind es keine Widderfelle, sondern goldene Schmuckstücke, zum ersten Mal außerhalb Georgiens gezeigt.
Die fruchtbare Ebene zwischen der östlichen Schwarzmeerküste und dem Kaukasus ist schon seit frühesten Zeiten bewohnt. Am Nordabhang des Kleinen Kaukasus, 65 Kilometer von der Küste entfernt, liegt heute die Kleinstadt Vani. Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts wurden hier Goldgegenstände durch die Einheimischen bei Feldarbeiten gefunden. Seit Anfang der 1960er Jahre wurde unter Leitung von Otar Lordkipanidze eine antike Stadt mit fast tausendjähriger Besiedlung systematisch erforscht.
Vani war schon im 8. und 7. Jahrhundert v. Chr. ein wichtiges religiöses Zentrum der Kolchis. Davon zeugen Miniaturaltäre und Tonfiguren, die auf einem Opferplatz gefunden wurden. Ergiebig war auch die Freilegung der in Fels gehauenen Grabgruben aus der Blütezeit von Kolchis, vom 6. bis Mitte des 4. Jahrhundert v. Chr. Da fanden sich Gebrauchsgegenständen wie Tongefäße, die man aus Griechenland importiert hatte. Ab Mitte des 4. und im 3. Jahrhundert v. Chr. machten sich verstärkt hellenistische Einflüsse in der kolchischen Gesellschaft bemerkbar. Steinarchitektur prägt nun das Bild der Stadt. Eine mächtige Schutzmauer von sechs Meter Höhe umgab sie. Dennoch wurde Vani Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. zerstört – durch die bosporanischen Könige Pharnakes II. im Jahre 49 und Mithridates VII. 47 v. Chr.
In einem Grab lag neben dem Kopf des Verstorbenen eine Silbermünze aus Pantikapeion (340-330 v.Chr.). Sie war der Fährlohn für Charon, der mit seinem Boot die Verstorbenen in das Reich des Hades, das Totenreich, brachte – ein typischer griechischer Bestattungsbrauch. Männern wie Frauen wurden gleichermaßen Schmuckgegenstände ins Grab mitgegeben: goldene Schalen, silberne Diademe und Fibeln, bronzene Spiegel, Krüge und Glöckchen, kleine Amphoren aus Glas sowie Perlen aus Glas, Karneol, Bernstein etc. 83 goldene Funde werden nun, auf dunkelblauer Seide, im Alten Museum präsentiert.
Die Exponate zeugen von einer beeindruckenden Kunstfertigkeit und Fantasie ihrer Schöpfer. Der Teil eines Kopfschmuckes aus einem Männergrab besteht aus 331 winzigen Röhrchen. Eine Halskette aus einem Frauengrab zählt 78 Anhänger in Form von Maiskolben und 210 Perlen, wobei jede nur einen Durchmesser von drei Millimetern hat. Auch die Kleidung der Verstorbenen war reich verziert. Im einem Grab fanden sich 103 kleine Plättchen in Form eines Adlers und 147 Plättchen in Form einer Ente. Das Leichentuch des hier bestatten Mannes war mit 15 000 Glasperlen bestickt. Der Betrachter kann seine Verblüffung über das hohe künstlerische und technische Niveau des kolchischen Goldschmiedehandwerks nicht verhehlen. Eine Halskette besteht aus 31 granulierten Anhängern in Form von Schildkröten und 64 Goldperlen. Bis zu 280 Gramm schwere Armreife sind mit Gazellen-, Löwen-, Kalbs- und Widderköpfen verziert. Schläfenschmuck und Ohrringe beeindrucken durch vielgliedrige Details und Formenreichtum. Besonders faszinierend ist ein Diadem mit Tierkampfszenen: Löwen reißen Stiere, Wildschweine und Gazellen.
Der einzigartige Goldschmuck wirft Fragen nach seiner Herkunft und dem Verhältnis zwischen Kolchis und den umliegenden Staaten und Völkerschaften auf. Aktuelle Funde von Archäologen des Deutschen Archäologischen Instituts in der sibirischen Steppe ermöglichen neue Vergleichsmöglichkeiten zwischen der kolchischen und skythischen Kultur. Eine Ausstellung im Berliner Martin-Gropius-Bau wird im Sommer dieses Jahres neue Einsichten darüber vermitteln.
Die Funde von Vani sind das herausragendste, aber nicht einzige Beispiel für die hoch entwickelte kolchische Goldschmiedekunst. Der sogenannte Achalgori-Schatz aus dem späten 4. Jahrhundert vereint vergleichbare Darstellungsformen mit meisterhafter Herstellungstechnik. Gertrud Platz, Stellvertretende Direktorin der Antikensammlung und Kuratorin der Ausstellung, ist überzeugt, dass der Einfluss der »barbarischen« Kultur auf die griechische größer war als bislang zugestanden.
»Goldreich« – so wurde Kolchis in der Antike bezeichnet. Der griechische Historiker Appian schreibt um 160 n. Chr. in seiner »Römischen Geschichte: »Viele der vom Kaukasus herabströmenden Bäche führen so feinen Goldsand mit sich, dass der unsichtbar ist. Die Einheimischen legen zottelige Schafsfelle in das Wasser, auf diese Weise fangen sie die schwebenden Körnchen auf. Vermutlich war das Goldene Vlies des Königs Aietes von derselben Art.« Die kleinen Kostbarkeiten jedenfalls, die derzeit in Berlin zu sehen sind, künden von einer faszinierenden Kultur, die gar nicht so barbarisch gewesen sein kann, wie einst behauptet.
Medeas Gold – Neue Funde aus Georgien. Bis 3. Juni in der Antikensammlung im Alten Museum am Lustgarten, Berlin; Mo-So 10-18 Uhr; Do 10-22 Uhr; auch zu Pfingsten geöffnet, Katalog 19,90 EUR.
Quelle: Neues Deutschland